In Sachen „Thermofenster“ bleibt der Europäische Gerichtshof mit der Veröffentlichung von Gutachterberichten durch den Generalanwalt weiter auf verbraucherfreundlichem Kurs.
Nachdem das Gericht die Verwendung von temperaturgesteuerten Abschaltvorrichtungen im Dezember 2020 (Verfahren C-693/18) erstmals mit deutlichen Worten als nicht rechtskonform bezeichnet hatte, geht das im aktuellen Verfahren zu erwartende Urteil einen Schritt weiter. Im Rahmen des Schlussplädoyers veröffentlichte Gutachten bewerten bestimmte Abschaltvorrichtungen nach Temperatur und Höhenlage grundsätzlich als unzulässig, weil der EU-Bauteileschutz nicht für Motorteile in Anspruch genommen werden kann, die nicht der Funktionalität des Motors dienen. Wichtig auch: Das erste Verfahren drehte sich hauptsächlich um den wohl zu 90 % ausverhandelten Motortyp EA189 (Volkswagen, Seat, Skoda und Audi von 2008 bis 2015).
Generalanwalt findet deutliche Worte
Für den Generalanwalt Athanasios Rantos steht fest: Das Thermofenster ist eine Manipulation, Autobesitzer haben Anspruch auf Schadenersatz und es gibt in Bezug auf das Thermofenster keine Ausnahmen – es ist grundsätzlich unzulässig. Entschieden ist in den Verfahren C-128/20, C-134/20 und C-145/20 aber noch nichts, In aller Regel folgt das Gericht aber den Vorschlägen des Chefanklägers.
Debatte auch relevant für Mercedes-Manipulationen
Das Verfahren ist der Höhepunkt einer Auseinandersetzung, die sich um Schadenersatzansprüche von EU-Bürgern aus Österreich dreht. Diesmal wurden Verfahren gegen Volkswagen und Porsche verhandelt. Rechtsanwalt Schwering von Schwering Rechtsanwälte aus Hannover erinnert allerdings heran, dass das „Thermofenster“ in aktuellen Verfahren hauptsächlich für weitere Themenbereich relevant werden wird: „Alle Mercedes-Motoren der Schadstoffklassen 5 und 6 arbeiten vom Hersteller unbestritten mit dem Thermofenster, außerdem alle Volkswagen mit EA288-Motor und die 6- und 8-Zylinder der Volkswagenfamilie!“
EU-Recht über nationalem Recht?
Aber auch die Verfahren um einzelne Modelle könnten mit dem zu erwartenden Urteil in eine neue Richtung gedreht werden. So ist der VW-Bus T5 noch lange nicht ausgeurteilt, obwohl bei Baujahren vor 2011 schon Verjährung eingetreten ist.
Problematisch ist schlussendlich, ob sich europäisches Recht im Abgasskandal wirklich erkennbar über nationales Recht stellen wird. Dies scheint am Produktionsstandort Deutschland nicht selbstverständlich zu sein.
Für klagende Verbraucher bedeutet die anstehende Entscheidung eine deutliche Verbesserung ihrer Chancen vor allem in Fällen, in denen es noch nicht zu Rückrufen gekommen ist, das Thermofenster aber unstrittig im Einsatz ist.