Mercedes wollte offenbar besonders clever sein und Schadenersatzsprüche zumindest der Kunden ausschließen, die zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs einen Vertrag mit der hauseigenen Mercedes Benz Bank abgeschlossen haben. In einem Fall vor dem BGH ist in einem Kreditvertrag eine Klausel verankert, die besagt, dass der Darlehensnehmer als Sicherheit u.a. auch gegenwärtige und zukünftige Ansprüche gegen Daimler an die Bank abtritt.
Im Klartext würde dies bedeuten, dass die Fahrzeugkäufer beispielsweise im Abgasskandal keine Schadenersatzansprüche gegen Mercedes geltend machen können, weil sie diese Ansprüche an die Bank abgetreten haben. „Glücklicherweise spielt der BGH dabei voraussichtlich nicht mit und wird Mercedes einen dicken Strich durch die Rechnung machen“, sagt Rechtsanwalt Andreas Schwering. Bei der Verhandlung eines Musterfalls am BGH, teilte die Vorsitzende Richterin mit, dass der Senat die entsprechende Klausel tendenziell für unzulässig hält, da der Verbraucher dadurch unangemessen benachteiligt werde (Az.: VIa ZR 1517/22).
BGH hält Klausel voraussichtlich für unzulässig
Ein Urteil des BGH wird für den 24. April 2023 erwartet. „Es ist davon auszugehen, dass er die Klausel für unwirksam erklären wird. Somit könnte sich Mercedes bei Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal nicht hinter der Klausel im Darlehensvertrag verstecken“, geht Rechtsanwalt Schwering von einer verbraucherfreundlichen Entscheidung aus.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger 2019 einen Mercedes GLC 250 für rund 55.000 Euro als Neuwagen gekauft und den Kauf zu großen Teilen über einen Kredit mit der Mercedes Benz Bank finanziert. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Abgasnorm Euro 6 ausgestattet. In den AGB des Kreditvertrags heißt es, dass der Darlehensnehmer gegenwärtige und zukünftige Ansprüche gegen Daimler an die Bank abtritt – „gleich aus welchem Rechtsgrund“. Nach Angaben des OLG Stuttgart, das mit dem Fall zu tun hatte, sei diese Klausel regelmäßig in den Darlehensbedingungen der Bank zu finden.
Später machte der Käufer im Abgasskandal Schadenersatzansprüche gegen Mercedes geltend, weil in dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen, u.a. ein Thermofenster bei der Abgasreinigung, zum Einsatz kämen. Diese Frage wurde in den Verfahren jedoch nicht geklärt. Landgericht und Oberlandesgericht Stuttgart wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht klageberechtigt sei, da er seine Ansprüche mit dem Darlehensvertrag an die Mercedes Benz Bank abgetreten habe.
Der BGH wird voraussichtlich anders entscheiden und das Urteil des OLG Stuttgart kassieren. Dann wird sich das OLG Stuttgart auch inhaltlich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Kläger Schadenersatzansprüche gegen Mercedes hat.
Wegweisendes Urteil des EuGH am 21. März erwartet
Das Urteil des BGH wird im April erwartet. Die Chancen auf Schadenersatz dürften für den Kläger bis dahin noch einmal enorm gestiegen sein. Denn am 21. März 2023 steht eine wichtige Entscheidung des EuGH im Abgasskandal an (Az.: C-100/21). Nachdem der EuGH schon mehrfach entschieden hat, dass die strittigen Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen, geht es nun um die Frage, ob Schadenersatzansprüche schon dann bestehen, wenn der Autohersteller nur fahrlässig, also ohne Vorsatz, gehandelt hat. Der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos hat in seinem Schlussantrag vom 2. Juni 2022 bereits gefordert, dass es für Schadenersatzansprüche ausreicht, wenn der Fahrzeughersteller die unzulässigen Abschalteinrichtungen auch nur fahrlässig verwendet hat.
Konkret geht es in dem Verfahren um Schadenersatzansprüche bei einem Mercedes mit einem Thermofenster. „Folgt der EuGH wie vielfach erwartet den Ausführungen des Generalanwalts wird das Urteil wegweisende Bedeutung für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal haben – nicht nur bei Mercedes-Fahrzeugen, sondern auch bei Modellen anderer Hersteller wie VW, Audi oder BMW mit einem Thermofenster“, so Rechtsanwalt Schwering. Bislang steht der BGH auf dem Standpunkt, dass Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung von Thermofenstern nur dann bestehen, wenn dem Autohersteller Vorsatz und Sittenwidrigkeit nachgewiesen werden kann. „Das wäre bei dem zu erwartenden Urteil des EuGH nicht mehr nötig. Dann wäre bereits Fahrlässigkeit für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal ausreichend und auch deutsche Gerichte könnten sich der Rechtsprechung des EuGH nicht widersetzen. Die Chancen auf Schadenersatz würden enorm steigen“, so Rechtsanwalt Schwering.