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Der Europäische Gerichtshof hat die Hürden für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal bereits mit Urteil vom 21. März 2023 erheblich gesenkt (Az.: C-100/21). Der Bundesgerichtshof fällte in drei Verfahren zu Schadenersatzansprüchen am 8. Mai 2023 zwar noch kein Urteil, ließ aber erkennen, dass er der Rechtsprechung des EuGH wohl folgen wird.

Offen ist allerdings, ob die geschädigten Dieselkäufer Anspruch auf die vollständige Rückabwicklung ihres Kaufvertrags oder Anspruch auf einen Schadenersatz in Geld sog. „Differenzhypothesenvertrauensschaden haben“ (Az.: VIa ZR 335/21 / VIa ZR 533/21 / VIa ZR 1031). Wie hoch dieser tatsächlich sein wird, hat der BGH nicht erwähnt. Es wurde lediglich erwähnt, er werde sich bewegen zwischen dem kleinen Schadenersatz und dem Großen, mithin zwischen 25% des Kaufpreises und Rückabwicklung des Kaufvertrages. Das ist eine große Spanne und alles ist möglich. Rechtsanwalt Schwering meint dazu: „Mit diesem Vorhaben wird dem Käufer ein Wahlrecht seines ihm zustehenden Schadenausgleichs genommen. Denn das deutsche Schadenrecht sehe sowohl kleinen Schadenersatz als auch großen Schadenersatz vor. Alles in allem begrüße ich die rechtliche Würdigung des BGH, nicht aber die Begrenzung des Schadens auf Ausgleich in Geld. Denn den Klägern wird Ihr Wahlrecht genommen. Was soll ein Kläger denn machen, wenn die Stilllegung angeordnet wird vom Kraftfahrtbundesamt? Dennoch ist es ein großer Erfolg für alle Kläger in der Aufklärung des Dieselskandals in Deutschland.“

Mit den Urteilen wird am 26. Juni gerechnet

Anders als bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags kann der Käufer beim „Differenzhypothesenvertrauensschaden“ sein Auto behalten und erhält eine Geldentschädigung, den das Fahrzeug durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfahren hat, ersetzt. Dieser Option scheint der BGH den Vorzug zu geben.

„Folgt der BGH nun der Rechtsprechung des EuGH ist die höchste Hürde für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal gefallen“, sagt Rechtsanwalt Andreas Schwering. Denn bislang wurde in der deutschen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass Schadenersatzansprüche nur dann bestehen, wenn der Autohersteller die Käufer durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hat. „Da man natürlich keinen Einblick in die internen Entscheidungsabläufe der Autokonzerne hat, ist dieser Vorsatz nur schwer nachzuweisen. Das ist auch nicht mehr nötig, wenn der BGH nun entscheidet, dass schon Fahrlässigkeit für Schadenersatzansprüche ausreicht“, so Rechtsanwalt Schwering. Der Europäische Gerichtshof hatte bereits am 21. März 2023 entschieden, dass bereits Fahrlässigkeit der Autohersteller Schadenersatzansprüche auslöst.

Vor dem BGH ging es in dem Verfahren zum Aktenzeichen VIa ZR 103/22 um Schadenersatzansprüche bei einem Mercedes C 220 Diesel mit dem Motor des Typs OM 651 und der Abgasnorm Euro 6. Der Kläger hatte das Fahrzeug 2017 gekauft und machte Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend. So kämen u.a. ein Thermofenster und eine sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung zum Einsatz. Der EuGH hat bereits entschieden, dass auch Thermofenster bei der Abgasreinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen.

Der VW-Dieselmotor des Typs EA 288 ist das Nachfolgemodell des Motortyps EA 189, bei dem die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen im Herbst 2015 aufgeflogen ist und der VW-Abgasskandal seinen Anfang nahm. Das Thema Abgasmanipulationen hat sich auch beim Nachfolgemotor EA 288 offenbar nicht erledigt. Der Kläger in dem Fall vor dem BGH (Az. VIa ZR 335/21) hatte im November 2017 einen VW Passat mit dem Motor EA 288 und der Abgasnorm Euro 6 als Gebrauchtwaren gekauft. Auch wenn das Modell nicht von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) betroffen ist, machte er Schadenersatzansprüche geltend. Denn in dem VW Passat werde ein Thermofenster eingesetzt. Dadurch erfolge die Abgasreinigung nur in dem festgelegten Temperaturfenster effizient und werde bei sinkenden Außentemperaturen reduziert, so dass der Stickoxid-Ausstoß ansteige. Bei dem Thermofenster handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung.

Schließlich verhandelt der BGH noch zu Schadenersatzansprüchen bei einem Audi SQ5 3.0 TDI (Az. VIa ZR 533/21). Das Bemerkenswerte hier war, dass der Kläger das Audi SQ5 mit 3-Liter-Dieselmotor des Typs EA 896Gen2BiT erst im Mai 2018 gekauft hatte und damit rund ein halbes Jahr, nachdem das KBA einen verpflichtenden Rückruf für das Modell angeordnet hatte, weil Audi eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der sog. Aufheizstrategie verbaut hat.

In den Verfahren dürfte der BGH den Klägern Schadenersatz zusprechen. Die Entscheidungen dürften dann weitreichende Bedeutung auf zahlreiche Schadenersatzklagen im Dieselskandal haben. Denn Thermofenster bei der Abgasreinigung sind weit verbreitet und wurden von zahlreichen Autoherstellern verwendet. Neben Mercedes und VW finden sich Thermofenster auch bei Dieselfahrzeugen von

  • Audi,
  • BMW,
  • Opel,
  • Ford,
  • Renault,
  • Fiat,
  • Toyota

und weiteren Herstellern.

Im Fall des Audi SQ5 hätte der Kläger bereits Kenntnis von dem Rückruf haben können. Das könnte seine Schadenersatzansprüche mindern oder ausschließen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH und den zu erwartenden Urteilen des BGH wird deutlich, dass im Abgasskandal gute Aussichten auf Schadenersatz bestehen, und zwar unabhängig davon, um welchen Autohersteller es sich handelt.

Schwering Rechtsanwälte bietet von Abgasskandal betroffenen Autokäufern eine kostenlose Ersteinschätzung ihrer rechtlichen Möglichkeiten an unter https://www.rechtsanwaelte-schwering.de/kontakt#kostenlose-beratung

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